Schneewittchens Selbsthass!

Nachtrag aus gegebenem Anlass: Bei diesem Text handelt es sich um eine Parabel. Er ist komplett frei erfunden und ist einzig und allein eine andere Sicht und Interpretation des Märchens.

Heute gibt es mal etwas völlig anderes. Schneewittchen - meine Wochenendlektüre war der Anreiz dazu, meine eigene sehr düstere Version dazu zu schreiben. Es sind zwei Teile, da ich zwei unterschiedliche Gedankenansätze dazu hatte. 

 
Es war einmal ein Mädchen..

...das hatte Haut, so zart, so weiß und so rein wie frisch gefallener Schnee, die Lippen waren blutrot und ihr Haar, das ihr über die Schultern fiel und ihr wunderschönes Gesicht umrahmte, war schwarz wie Ebenholz.
Sie besaß Anmut und Liebreiz. Jede Bewegung war vollkommen und wem das Glück zuteil wurde, ihr Lächeln zu sehen, war fortan verzaubert. Es glich einem Sonnenaufgang, wenn sie einen Raum betrat.

Doch hinter der Fassade dieser kaum haltbaren Schönheit, bröckelte der Putz. Das Mädchen, war der traurigste Mensch auf Erden. Es war die schlimmste Qual, jeden Morgen zu erwachen und in diesem Körper gefangen zu sein. Ihr Herz war gefüllt mit einer unendlichen Leere, mit einer Einsamkeit, die kaum von dieser Welt sein konnte. Täglich trat sie vor ihren Spiegel und konnte die Schönheit und die wundervolle Aura, die sie umgab nicht sehen und die Last dieser Erkenntnis drückte sie zu Boden. Sie krümmte sich Tag für Tag vor dem Spiegel, konnte ihren Blick nicht abwenden, von dem Bild dass ihr der Spiegel zurückwarf. Und gleichzeitig bescherte ihr jeder weitere Blick unendliche Schmerzen. Dieses Gesicht, das weiß war, als stünde der Tod vor ihr, die blutvollen Lippen, die jederzeit zu platzen drohten. Die dunklen Augen, leer und teilnahmslos, die über den hohen Wangenknochen in den Höhlen lagen und einem Totenschädel glichen. Das schwarze Haar, das ihr ins Gesicht fiel, schwarz wie Ebenholz, schwarz wie der Tod. Schwarz, wie alles, das das Mädchen umgab. Eine Dunkelheit, die sie aufzufressen drohte.
Während sie vor dem Spiegel lag, fühlte sie sich nutzlos und allein und alles was sie wollte, war dieses Gefühl aus ihrem Körper zu verbannen. Es brodelte in ihrem Kopf, sie zitterte am ganzen Leib und all diese dunklen Gefühle schienen sie zu übermannen, bis sie schließlich die Kontrolle verlor und zur Klinge griff. Mit einem einzigen tiefen Schnitt, der sich durch ihre zarte Haut bohrte, fielen all diese Gefühle und der Selbthass, den sie gegen sich selbst hegte, von ihr ab. Während das Blut aus der Wunde strömte, atmete sie tief durch und ihr Herzschlag wurde ruhiger. Er glich dem Geräusch ihrer Blutstropfen, die in das Waschbecken fielen, tief und tiefer, um schlussendlich auf dem weißen Keramik zu zerplatzen. Sie beobachtete eine endlose Zeit lang, wie das Blut aus dieser Wunde rann und dies gab ihr die Kraft, den Tag zu überstehen.
Nach diesem Ritual, welches sie täglich vollzog, warf sie einen letzten Blick in den Spiegel, und mit einem Lächeln um die Mundwinkel, drehte sie sich um und ging hinaus in die Welt. 
Jeden Abend streifte sie durch den Park, denn sie genoss die Stille, welche sie dort umgab.

Es war einmal ein Mann..
...der, verborgen hinter einem Baum stand und dieses hübsche Mädchen beobachtete.
Abend für Abend, kam dieses wunderschöne Mädchen in den Park, dessen reine weiße Haut einem Engel glich. Er wollte jede Geste, jede Bewegung und jedes Zucken in sich aufnehmen. Sie sollte ganz ihm gehören, für immer und ewig. Er war süchtig nach ihrer Schönheit und besessen von dem Gedanken, seinen Tag einzig und allein daraus bestehen zu lassen, in ihr Antlitz zu blicken. Doch so oft er an ihr vorüber schritt, so nahm sie keine Notiz von ihm, nahm ihn nicht wahr, war ganz verloren in ihren Gedanken und starrte weiter stumm auf den See. Es machte ihn rasend, dass sie ihn nicht ansah, doch er wollte etwas erreichen, eine Gefühlsregung in ihr erzeugen. Er wollte alles über sie erfahren und folgte ihr bald schon auf Schritt und Tritt, getrieben von einer unbändigen Lust, mit seiner Hand über die zarte Haut ihrer Wange zu streichen.
Als das Mädchen an diesem Abend mit einem flotten Schritt nach Hause lief, beschleunigte auch er den seinen. Er wollte sie berühren, nur ein einziges Mal, nur ganz kurz.
Er streckte die Arme aus und bekam sie an ihren glatten, schwarzen Haar zu fassen. Er riss sie zu Boden, war ganz und gar von dem Verlangen getrieben, ihr Herz zu besitzen. Sie wehrte sich, versuchte sich loszureißen, doch sein Wille war stärker und er zog ein silberglänzendes Messer aus der Tasche. Ihr war bewusst was passieren würde, wenn sich der kalte Stahl durch ihre Haut bohren würde. Dennoch war sie überrascht, wie schnell es ging und wie wenig es schmerzte, als er mit einem einzigen Stich ihr Leben auslöschte. Er nahm sich ihr Herz, entriss es ihrem leblosem Körper. Hielt es in seinen Händen. Das warme Blut überströmte ihn ganz und tropfte in den weißen Schnee. Einige Minuten kniete er so da, völlig berauscht davon ihr Herz endlich in Händen zu halten. Doch schließlich wurde ihm klar was er ihr angetan hatte und damit sich selbst. Ihr lebloser Körper der unter ihm lag, der sich nicht regte, der einfach nur im weißen Schnee lag und sich nicht mehr bewegte. Er hatte sich genommen was er wollte - ihr Herz, doch hatte er sich dadurch auch gleichzeitig das schöne Mädchen genommen, welches für immer an seiner Seite hätte bleiben sollen. Und während er in dem durch Blut getränkten Schnee kniete, mit ihrem Herzen in der Hand, wollte er nichts sehnlicher, als sein eigenes Herz herauszureißen, um es dem schönem Mädchen zum Geschenke zu machen.



1 Kommentar:

  1. grausam, aber gefällt mir ;) grausamkeiten sind in märchen ja eigentlich immer herzlich willkommen....ich mein,is ja achon derb,dass dem wolf ständig der bauch aufgeschnitten und zugenäht wird..hehe gefällt mir!bin durch blog-zug auf deine seite gestoßen und bin ab sofort eine neue leserin.LG anne

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